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Leseprobe - Prolog

Finsternis. Rickys Blick huschte durch das Unterholz. Seine blau leuchtenden Augen funkelten durch die sternenlose Nacht. Wie ein schwarzes Laken spannte sich das Himmelszelt über den Wald. Hektisch sprang der Blick des kleinen weißen Hundes hin und her. Seine Knie zitterten und sein Fell sträubte sich. Irgendetwas wartete dort im Unterholz auf ihn. Er war sich sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis jenes Unbekannte herausschnellen und ihn erfassen würde. Was war es?

Ricky versuchte sich daran zu erinnern, wie er in den Wald gekommen war und was ihn gejagt hatte. Zwischen all seinen durch Todesangst geleiteten Gedanken konnte er keine Antworten finden. Für einen Moment gelang es ihm der aufsteigenden Panik zuwider, sich zusammenzureißen. Er musste feststellen, dass er sich an nichts mehr vor dieser Nacht erinnern konnte. Die Gedanken stürmten wie ein wilder Bienenschwarm laut surrend durch seinen Schädel. Wer war er und wie war er hierhergekommen? Er wusste nur, dass seine Pfoten vom Laufen brannten und nur noch das Adrenalin ihn auf seinen Beinen hielt.

Ein Krachen durchbrach die Nacht. Es kam unmittelbar aus dem Unterholz, das er seit einigen Sekunden anstarrte. Ricky kniff seine Augen zusammen. Sie verrieten ihm nicht, wer oder was sich dort herumtrieb. Eines wusste er: Das, was dort war, jagte ihm unendliche Ängste ein, und seine Präsenz genügte, um ihn mit fürchterlichem Grauen zu erfüllen.

Plötzlich spürte Ricky einen Schatten in seinem Rücken. Reflexartig sprintete der kleine Hund wieder los. Die Schmerzen verdrängend rannte er um sein Leben. Er hastete über den matschigen Waldboden. Schnelle Schritte ertönten in seinem Rücken. Er schwankte zwischen größter Neugier und schlimmsten Ängsten gegenüber seinem Verfolger. Zu gern hätte er einen Blick zurück gewagt, aber wollte er überhaupt wirklich wissen, wer ihn verfolgte? Vielleicht war es ein Wolf oder ein Bär. Dann hätte er sowieso keine Überlebenschance. Also blieb ihm nur die Flucht nach vorne.

Die Schritte des Verfolgers wurden zu einem drohenden Rhythmus in seinem Rücken. Sie glichen lauten Trommelschlägen und jedes Mal, wenn der Verfolger den Boden berührte, zuckte der kleine Hundekörper zusammen. Die Schritte wurden schneller und lauter. Sie dröhnten in Rickys Ohren. Sein Verfolger war nicht mehr weit entfernt. Plötzlich durchdrang das Plätschern eines Baches die Todesmusik. Im schwachen Mondlicht glitzerte das Wasser, das sich wie ein dunkles Band über den Waldboden zog. Mit einem Satz sprang Ricky über den Bach, wobei er bei der Landung mit einem Bein auf dem matschigen Ufer ausrutschte. Hastig raffte er sich auf, ehe sein Verfolger den schmalen Wasserfluss erreicht hatte. Er schlüpfte zwischen den Bäumen hindurch, als plötzlich die Schritte seines Jägers verstummten. Stille, nur noch das Plätschern des Baches unterbrach die Ruhe des Waldes. Ricky hielt seinen Atem an. Rasch verbarg er sich hinter einer kleinen Böschung.

In diesem kurzen Moment der Stille versuchte er, sich noch einmal an seine Vergangenheit zu erinnern. Wer war er? Und wer würde ihm diese Frage beantworten können? Ob wenigstens der Verfolger ihm wohl verraten könnte, wie er in den Wald gekommen war?

Da ertönten wieder die Schritte, doch sie waren langsamer und kamen Ricky noch lauter vor. Langsame, laute Trommelschläge. Es war nicht länger eine Jagd, sondern eine bedrohliche Zeremonie. Er würde das Blutopfer sein, dachte sich Ricky. Nicht weit von ihm wandelte seine verkörperte Angst durch das Unterholz. Die Hoffnung sank, dass er diesen Wald lebend verlassen würde, und zugleich fragte er sich, ob es denn überhaupt jemanden geben würde, der ihn vermissen würde. Wartete irgendjemand auf ihn? Gab es irgendjemandem, dem er wichtig war? Wenn es so jemanden gab, dann konnte er sich jetzt nicht daran erinnern.

Sein Jäger erreichte die Böschung. In diesem kurzen Augenblick erspähte Ricky ihn. Er war zu klein für einen Bären, aber zu groß für einen Kojoten. Sein schwarzes Fell ließ ihn beinahe vollkommen mit der nächtlichen Dunkelheit verschmelzen.

Nur ein Ast trennte Jäger und Gejagten. Unwillig malte sich Ricky aus, was jeden Moment passieren würde. Das Wesen würde ihn finden und töten. Scharfe Zähne würden sich in sein weißes Fell bohren.

Ein krächzender Vogel riss das fremde Wesen aus seiner Suche. Ricky ergriff die Chance und hastete Ricky von Neuem los. Es dauerte nur kurz, bis der Jäger ihn wieder entdeckt hatte und seine Hetzjagd fortführte. Die Schritte hatten ihren alten Rhythmus wieder angenommen. Ricky sprang über einen Ast, rutschte unter einer Wurzel hindurch und wich einem Stamm aus. Atem drang aus seiner Schnauze und seine Gelenke knackten erschöpft. Mit aller Mühe versuchten seine Halswirbel seinen Kopf aufrecht zu halten und seine Augen bemühten sich, klar zu sehen.

Plötzlich erspähte er Licht in der Ferne. Vielleicht würde sein Verfolger von ihm ablassen, wenn er menschliche Zivilisation erreicht hätte. Diese Aussicht ließ Hoffnung in ihm aufsteigen. Den Blick auf die fernen Lichter fokussiert, rannte er weiter. Den kleinen Vorsprung hatte sein Jäger beinahe eingeholt. Zwischen zwei dicht beieinanderstehenden Bäumen sprang er hindurch, mit der hoffnungsvollen Gewissheit, dass der Verfolger dort nicht hindurchgelangen würde. Doch auch dieser Vorsprung war keiner, den der Jäger nicht im Nu wieder einholen konnte. Schon bald nahm Ricky einen großen Schatten an seiner Flanke wahr. Mit einem Satz könnte sich das Wesen auf ihn stürzen und sein Leben beenden. Eine kleine Mauer eines Hinterhofes erhob sich in weiter Ferne über dem Gras. Würde er über diese Mauer springen und die Lichter erreichen, würde sein Jäger hoffentlich von ihm ablassen und wieder in der Dunkelheit der Nacht verschwinden. Mehr als diese Hoffnung blieb ihm nicht. Doch noch trennte ihn ein Labyrinth aus Bäumen von der sicher scheinenden Zuflucht. Auf einmal war der Jäger nicht mehr zu sehen. Die lauten Schritte in Rickys Rücken waren geblieben. Seine Panik hinderte ihn daran, den Ort der Schritte zu lokalisieren. Als ob die dröhnenden Trommelschläge von allen Seiten kämen. Solange er sie aber noch hörte, konnte er sich nicht erlauben, stehen zu bleiben und nach ihnen zu sehen. Denn eines verhießen sie: Der Jäger war in tödlicher Nähe.

Im Zickzack durchquerte Ricky die Baumgruppen. Die Mauer war nur noch wenige Meter von ihm entfernt. Da wurde er plötzlich zu Boden gerissen. Panisch sah er sich um. Eine Wurzel hatte sich um sein linkes Hinterbein geschlungen. Ricky lechzte nach Luft genauso wie nach neuen Kräften. Mit verkrampfter Mühe versuchte er sein Bein von der Wurzel loszureißen, während sein Blick Angst durchdrungen seine Umgebung absuchte. Wo war sein Verfolger hin? Die Trommelschläge verstummten, als plötzlich ein Knurren ertönte. Das Knurren eines Wesens, das sich seiner Mahlzeit gewiss war. Zugleich strahlte es eine unheimliche Freude am Töten und Fressen aus. Ein Schatten glitt durch das Geäst. Immer schneller pochte das kleine Hundeherz. Panik. Angst.

Auf einmal schimmerten Reißzähne auf. Hastig und nach Kräften lechzend, versuchte Ricky sein Bein zu lösen. Sein Blick richtete sich hilflos zu dem tief dunklen Nachthimmel. „Hilf mir!“, flüsterte er. Er wusste selbst nicht, zu wem er dies gesprochen hatte. Aber irgendetwas versicherte ihm, dass er gerade nicht allein war. Da war noch jemand. Kein weiteres Wesen, das sich durchs Gestrüpp kämpfte, sondern eine höhere Macht. Irgendetwas verriet ihm, dass diese Ahnung, dass da mehr ist und dass er nicht allein ist, eine letzte Erinnerung an sein Leben vor dieser Nacht gewesen war. Und so schrie er in die Nacht hinaus: „Hilf mir! Hilf mir!“

Da konnte er sich plötzlich losreißen. Er begann von Neuem zu rennen. Doch sein Verfolger stürzte sich von hinten auf ihn. Er erwischte Rickys Pfote, der, den Blick hoffnungsvoll auf die Mauer gerichtet, versuchte weiterzusprinten. Mit einem lauten Aufheulen entglitt er dem großen, dunklen Wesen und sprang über die Mauer. Im Flug streifte eine der scharfen Krallen seinen Rücken, sodass Blut das Fell rot färbte. Mit dem Gesicht voraus stürzte Ricky auf der anderen Seite der Mauer zu Boden. Schmerz durchfuhr seinen Körper. Doch nun hörte er, wie die Schritte seines Jägers in der Ferne verschwanden. Die nächtliche Todesmusik verstummte und eine von Fragen wuchernde Stille verblieb. Seine Vermutung hatte sich bewahrheitet. Erleichterung keimte in ihm auf. Mit einem tiefen Atemzug versuchte er, sich zu beruhigen.

Seufzend erhob er sich und schleppte sich über den Hinterhof zum Türabsatz, wo er sich kraftlos hinwarf. An Schlafen war aber noch nicht zu denken, zu viel Adrenalin durchströmte ihn noch und zu viele ungeklärte Fragen lagen vor ihm. Wer war er? Wie war er in den Wald gekommen? Woher kam er? Wer waren seine Eltern? Verzweifelt blieb er dort auf dem Absatz liegen. Der Einzige, der ihm vielleicht Antworten hätte geben können, wollte ihn töten und war nun verschwunden in dieser so schrecklichen Nacht.

Wer war er und wie kam er dorthin?